Heike Gallmeier

Mittwoch, d. 13. Juni 2018, 20:30 Uhr





Projektive Geometrie | Heike Gallmeier | Installation | ca. 400 x 300 x 250 cm | 2017 

 

In meiner Arbeit verbinden sich Elemente von Skulptur, Malerei und Fotografie zu Installationen. Ich verarbeite gefundene Materialien zu skulpturalen Installationen, aus denen meist Fotografien entstehen. Die jeweilige Installation ist für einen speziellen Blickwinkel – den der Kamera – gebaut. Der dreidimensionale Raum wird von vornherein auf die spätere flächige Wahrnehmung im Foto hin angelegt. Meine inszenierten Fotografien integriere ich als freistehende Elemente wiederum in installative Räume. Es geht mir dabei nicht nur um fertige Arbeiten, sondern auch darum, einen Prozess zu erzeugen, in dem Materialien, Objekte und Abbildungen kontinuierlich zwischen unterschiedlichen Techniken, Kontexten und Wahrnehmungsebenen zirkulieren.
Der Prozess des Sammelns von Gegenständen und Materialien als ungerichtete Bewegung im urbanen Raum ist ein wichtiger Bestandteil meines Arbeitsprozesses. Dinge, die als wertlos gelten, erhalten durch die aufmerksame Betrachtung ihrer Eigenschaften und Oberflächen und Einbindung in neue Kontexte wieder Wert und Bedeutung.
Bei dem Reise- und Ausstellungsprojekt „Vertigo“ bin ich in einem zum mobilen Wohnatelier umgebauten Transporter von Berlin nach Northampton gereist und habe während dieser Reise aus gefundenen Materialien temporäre Installationen gebaut. Auf dem Weg durch Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich und Großbritannien hat sie Autobahnen und Hauptstraßen vermieden. Anstatt die kürzeste Route zu wählen bin ich auf Landstraßen und durch Wohngebiete gefahren. An meinem Ziel, dem NN Contemporary Art in Northampton, angekommen, habe ich den Innenraum des Transporters in den Ausstellungsraum versetzt und, zusammen mit großformatigen Fotografien, die auf dem Weg gefundenen Materialien zu neuen Installationenverarbeitet.
www.heikegallmeier.de

Florian Balze

Mittwoch, d. 6. Juni 2018, 20:30 Uhr




Florian Balze |  Velkarno IV (vorn)  |  Velkarno I (Mitte) | Priggo (hinten) 

 

Florian Balze geht es darum, die Auseinandersetzung mit dem Thema Abstraktion von den Rändern aus weiterzuführen.
Er orientiert sich seit langem am Modernismus der Nachkriegszeit, und an dem Aufgreifen dieser Ästhetik bzw. deren stilistischer Codes in angewandten Bereichen wie Möbel- und Interior Design sowie architektonischen Gestaltungen, so dass wir beim Anblick seiner Werke an Produkte aus einer Manufaktur oder der Industrie denken. Die modularen Wiederholungen tragen in der Regel unmittelbar dazu bei, wobei das Modulare nicht im Sinne der Minimal Art wiederbelebt wird, sondern um den Aspekt des Dekorativen und Ornamentalen erweitert ist und damit schlussendlich im Erscheinungsbild sowie im Inhalt gänzlich eigene Weg beschreitet.
Schauen wir seine Objekte an, ist eine produktive Verwirrung am Werk, angefangen eben bei der Frage, ob wir es mit funktionalen oder skulpturalen Gebilden zu tun haben. Handelt es sich bei Wandarbeiten wie „Priggo“ zum Beispiel um ein Holzregal oder doch um eine Reliefskulptur?
Auch die Frage „Was war zuerst da?“ lässt sich bei den neueren skulpturalen Arbeiten der Serie „Velkarno“, die mit einer deutlichen Zweiteiligkeit arbeiten, nicht beantworten. Darin ebenso unbeantwortet bleibt die Frage, ob denn jetzt die Holzfigur eines drapierten Faltenwurfs auf einer Stange der eigentlich wichtigere Teil der Arbeit ist, oder vielleicht doch der Sockel, der um einiges größer, farbenprächtiger und – sehr entscheidend – singulärer ist, während der Faltenwurf sich mehr oder minder wiederholt. Nach herkömmlichem Sehen wäre oben auf dem Sockel befestigt – und im wahrsten Sinne des Wortes erhöht – die eigentliche Skulptur, sprich das Kunstwerk zu sehen, um das es geht. Dies wäre demnach das drapierte Tuch, handwerklich umgesetzt aus Lindenholz, mit Öl so bearbeitet, dass es an alte gebeizte Holzskulpturen und ihre Faltenwürfe denken lässt.
Florian Balze jedoch kehrt überraschend die Verhältnisse um, beziehungsweise schafft er durch die Aufhebung einer linearen Lesbarkeit des Werks (was war zuerst da? Was ist wichtiger von beidem?) eine Hinterfragung, eine Unsicherheit, eine Instabilität der Wahrnehmung, die uns nachhaltig beschäftigt.

Die Annäherung an Abstraktion geschieht übrigens auch in den Faltenwürfen exemplarisch von ihren Rändern her. Seit zwei Jahren arbeitet Florian Balze inspiriert von spätmittelalterlichen, in Lindenholz geschnitzten Gewandfalten (man denke an Tilman Riemenschneiders bewegte Faltenkaskaden). Dies vor dem Hintergrund, dass sich damals formale Sprache derart verselbständigte, dass man von einer „Abstraktion avant la lettre“ sprechen könnte.
Während seiner Arbeit an der Serie entfernt sich Florian Balze allerdings zunehmend vom mittelalterlichen Vorbild und stellt unter Zurücknahme der Bewegtheit ein gleich großes, immer ähnlich hängendes Tuch nurmehr dar.
Auch hier also kommt der Aspekt der Wiederholung aufgrund der kaum sichtbaren Varianz zum Tragen. Umso stärker unterscheiden sich, wie schon gesagt, die dazugehörigen modernistischen Sockel- und Haltekonstruktionen in ihrer gestalterischen Ausformung, repräsentieren also vorgeblich jeweils den eigentlichen Akzent des Werkes, was unserer konventionellen Auffassung von Kunstwerk und Sockel zuwider läuft.

Im Rückgriff auf mittelalterliche abstrakte Gestaltungsformen werden in dieser Werkserie außerdem Fragen von künstlerischem und kunsthandwerklichem Schaffen aufgeworfen, wurden doch die besagten mittelalterlichen Schnitzwerke noch im Werkstatt- und Zunftkontext geschaffen, aber bereits an der Schwelle zur Neuzeit, mit den ersten Schritten der Autonomisierung der Kunst und Aufwertung des Künstlerberufs – eine Entwicklung, die auf lange Sicht in der Überhöhung des modernen und zeitgenössischen Künstlers mündet. Genau dieses Pathos wird allerdings in den möbelartigen Abstraktionen in Frage gestellt, so dass sich hier ein Kreis von Bezugnahmen schließt.

Text: Sonja Klee


Fides Becker

Mittwoch, 16. Mai 2018, 20:30 Uhr






Fides Becker |  Fensterladenringe | Acryl und Eitempera auf Leinwand | 28 x 35 cm | 2017 |



Kern meiner Auseinandersetzungen ist in allen Werkserien, die Identität als Wechselwirkung zwischen dem Eigenen und den Einflüssen von außen. Damit knüpfe ich an Ikonografien der westlichen Bildkultur an und beteilige mich an aktuellen soziokulturellen Diskursen. Mit meiner künstlerischen Arbeit mache ich intrapsychische Vorgänge in der Reflexion gesellschaftlicher Prozesse sichtbar und veranschauliche die unauflösbare Wechselwirkung. In der fragmentarischen Arbeitsweise der Gleichzeitigkeit stelle ich verschiedenen medialen Bilderwelten authentische Unikate gegenüber, wofür ich kontinuierlich neue malerische Strategien entwickle. Dabei transportiere ich die traditionellen Techniken der Fresko- und der Schichtenmalerei in eine zeitgemäße Methode. Das Handwerkliche stellt eine Verbindung zum Ursprünglichen her.

Derzeit beschäftige ich mich mit gesellschaftlich konnotierten Gegenständen, Räumen und Landschaften und mit der Durchdringung von Zeit und Raum, wie es die Werkgruppen „Mitternachtsblau“[1], „Die Belle Étage“[2] und „Vermächtnisse“[3] sowie auch die raumbezogenen Wandmalereien zum Ausdruck bringen – u.a. „Der Spiegelsaal“[4] im Nassauischen Kunstverein in Wiesbaden und in der Kunsthalle Mainz, „Der Blick auf zwei Monde“[5] im Arp Museum Bahnhof Rolandseck sowie die „Landpartie“[6] im denkmalgeschützten Jagd- und Lustschlösschen der Grafschaft Faber zu Castell „Appelhof“ und zuletzt „Transit“[7] in einer Kutschendurchfahrt im vormals jüdischen Viertel Berlin-Mitte.[8]  

Bei der empirischen kulturanthropologischen Erforschung gesellschaftlich konnotierter Gegenstände, Räume und Landschaften interessieren mich die Spuren vergangener Epochen, die für mich etwas Geheimnisvolles haben, eine morbide Romantik. Menschen sind auf meinen Bildern nicht sichtbar, aber die Gegenstände und Räume vibrieren scheinbar noch von ihrer Anwesenheit. Dabei reflektiere ich, dass die Dinge unabhängig von ihrer Funktion eine Bedeutung für uns haben und dass sie manchmal auch fetischisiert werden. Die einzelnen Motive löse ich aus ihrem natürlichen Zusammenhang heraus und füge sie in einen anderen, körperhaft illusionistischen, Raumzusammenhang ein. Zusätzlich lade ich sie psychologisch mit menschlichen Gefühlen auf wie Sehnsucht, Begehren, Leidenschaft sowie Lust und Angst. Dadurch erhalten sie etwas Organisches, Wesenhaftes, eine individuelle Geschichte und manchmal auch eine ambivalente Bedeutung. Durch die Erotisierung löse ich die Grenze zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen auf und mache Intimes sichtbar. Indem ich eine Verbindung der Gegenstände mit subjektiven Empfindungen herstelle, greife ich sie gleichzeitig aus dem kollektiven Bewusstsein heraus und gebe ihnen eine neue eigen-ständige Identität.[9]

Text: Fides Becker, 2018


www.fides-becker.de






[1] http://www.fides-becker.de/midnightblue/overview.php
[7] http://www.fides-becker.de/transit/overview.php
[8] In meiner vorliegenden Dokumentation habe ich mich für die älteren Beispiele „Der Blick auf zwei Monde“ und „Spiegelsaal“  entschieden, weil sie mein Anliegen der raumgreifenden ortspezifischen Malerei durch das Wechselspiel des Ortes mit dem illusionistischen Motiven stärker zum Ausdruck bringen, wie die jüngeren Wandmalereien, bei denen mich kuratorische und denkmalschutzpflichtige Vorgaben bei der Ausführung hand-werklich und inhaltlich eingeschränkt haben.
[9] Abb. 1-7

Jaro Straub

Mittwoch, 25. April 2018, 20:00 Uhr



Adresse: SCHARAUN, Jungfernheideweg 4, 13629 Berlin.



Scharaun | Jaro Straub | 2017

Den Ausstellungsraum SCHARAUN in Berlin-Siemensstadt gibt es seit Dezember 2017. Inhaltlich bewegt er sich im Spannungsfeld von Architektur, Kunst und Zeitgeschichte.

Ich setze mich in meiner künstlerischen Arbeit intensiv mit diesem Thema auseinander und wechsele auch immer wieder gerne die Seiten mit eigenen kuratorischen Projekten. 

Vorgängermodell von SCHARAUN waren Ausstellungen in meiner Wohnung im Bezirk
Wedding gegenüber dem heutigen Kunstquartier Silent Green in der Gerichtstrasse 52a.

SCHARAUN liegt in einer Wohnung in einer der Siedlungen der Berliner Moderne aus den 1930er Jahren über der ehemaligen Wohnung Hans Scharouns, dem Architekten des Gebäudes. Dieser Ausgangspunkt ist programmatisch für den Ausstellungsraum da an diesem Ort wichtige Linien der Auseinandersetzung mit moderner Architektur sowie aktuellen Debatten über den Verlust von Identität an Orten wie Siemensstadt, der kurz vor dem Abzug der letzten Siemens Produktionsstätten steht, zusammenlaufen.

www.scharaun.de                         

Text: Jaro Straub

Johanna Jaeger

Mittwoch, 18. April 2018, 20:00 Uhr 



Adresse: SCHWARZ CONTEMPORARY, Sanderstraße 28, 12047 Berlin.



Johanna Jaeger |  horizontal questions, circular replies | auf die Wand kaschierter Blueback Print | 438 x 100 x 180 cm | 2016



In meiner Arbeit geht es mir um einen experimentellen Umgang mit bestehenden Wahrnehmungsmustern und um das Aufbrechen damit verbundener Erwartungshaltungen. Dimensionalität, Raumverständnis, Logik und Zeit sind zentrale Punkte meiner Auseinandersetzung.
Komponenten der Fotografie wie die technische Ausrüstung, Licht oder Fotoentwicklungsprozesse werden zu Protagonisten, vermeintlich Unspektakuläres wird mit besonderer Akribie betrachtet, Prinzipien und Regeln bewusst entgegen ihrer Bestimmung angewendet. Räumliches so abgebildet, dass Hinweise auf die ursprüngliche Dimensionalität verloren gehen. 
Mit Foto-Objekt-Kombinationen und installativen Präsentationen lenke ich die Blicke des Betrachters auch räumlich. Ich zeige Bilder im Raum, von vorne und von hinten, balancierend, auf dem Boden liegend, lehnend, oder auf Raumelemente aufgezogen. 

Text: Johanna Jaeger, 2018

Schirin Kretschmann

Mittwoch, 11. April 2018, 20:00 Uhr









Schirin Kretschmann | Physical | Intervention, Pigment, Gips, Acrylglaselemente | Maße variabel | Kunstverein Hannover | 2017



In ihren raumbezogenen, malerisch-installativen Arbeiten zielt Schirin Kretschmann auf die Schaffung offener Strukturen, welche den Betrachter zum Handeln herausfordern. Die oft improvisiert und nur temporär stabil wirkende Materialität der Arbeiten eröffnet einen Erfahrungsraum, der den Betrachter in ein Spiel multipler, auch synästhetischer Wahrnehmungen involviert, die das eingeübte Erfassen von Räumen durchkreuzen. Der spezifische Einsatz von Farbe dient der Überlagerung, Auflösung oder Herstellung von Strukturen und verschränkt Alltags- und Ausstellungsräume. Hierbei verstehen sich Kretschmanns Arbeiten insbesondere als archäologische Strategien, um die elementaren Erfahrungen von Material und Dauer, die in unserer Alltagswelt vielfach von technischen und virtuellen Ersatzhandlungen überlagert werden, wieder freizulegen.



 

Benedikt Terwiel

Mittwoch, 21. März 2018, 20:00 Uhr








Meine Arbeit ist maßgeblich von den Eindrücken aus meinen mehrwöchigen Wanderungen geprägt, die ich in den vergangenen Jahren durch Europa unternahm, um Fragen zur Repräsentation der (Stadt-) Landschaft im Bild, ihrer Geschichtlichkeit sowie den Methoden ihrer technischen und kulturgeschichtlichen Aneignung nachzugehen.
Die Konzeption und Darstellungsweise von Karten, die – obwohl stark abstrahiert und standardisiert – immer auch die konkrete Sicht ihres Autors wiedergeben und so direkt oder indirekt bestimmte politische und kulturelle Absichten befördern, während sie zugleich in ihrer Funktion als Werkzeug in fast jedem Aspekt heutigen Lebens präsent sind, wurden ein zentraler Gegenstand meiner künstlerischen Arbeit und haben mein Verständnis von Bildern seitdem nachhaltig geprägt.



Für „Teeverpackung 2009“ beispielsweise nutzte ich Methoden der Landvermessung, um die Miniaturtopographie einer zerknitterten Teebeutelverpackung im Atelier rasterförmig zu vermessen, und sie dann in die von den Landvermessern bestimmte topographische Oberfläche Berlins einzufügen, so dass von jedem kartographierten Punkt weltweit ein geographischer Bezug auf meinen Tisch und die Oberfläche der Verpackung hergestellt werden kann. Oder die Arbeit „Annis Imbiss“, bei der ich, quasi als negative Kartierung, über Jahre das langsame Verschwinden des Grundrisses einer Berliner Imbissbude aus dem Straßenpflaster dokumentiere, dessen Spuren schrittweise durch wiederholte bauliche Veränderungen der unmittelbaren Umgebung getilgt werden.



Speziell in den letzten Jahren entwickelte sich außerdem eine Serie von Arbeiten, bei denen ich Oberflächen meiner Umgebung - von Räumen, Möbelstücken oder gefundenen Objekten wie Zeitschriften oder anderen Ephemera - mittels Pigment und Klebeband auf Papier übertrage, um die Choreographien unserer alltäglichen Interaktionen mit dieser Umgebung aufzuzeichnen, und so ein spezifisches und komplexes Feld von Spuren und Handhabungen sichtbar zu machen, das wie ein archäologisches Dokument gelesen werden kann.

Text: Benedikt Terwiel