Rebecca Michaelis, Tim Stapel

in der Ausstellung Standard International - Post Spatial Surfaces #1 im Geisberg Berlin

Mittwoch, 29. Juli, 20 Uhr 

Geisbergstraße 6-9, 10777 Berlin 


 Rebecca Michaelis
Mobilé:
"139° Ost"
Alumunium Pulverbeschichtet 
Wandarbeit:
 "Folgendes"
Acrylfarbe und Graphit
Rauminstallation
Deutsche Bank Kunsthalle
2014 

Zunächst scheint alles schlicht und wohlsortiert: Wir begegnen einem  Wandgemälde mit halbrunden Linienstrukturen auf einfarbigem Grund. Der Anschein ostentativer Verstehbarkeit währt freilich kurz. Sobald wir uns den ornamentalen Kreislinien nähern, entfachen die scharf konturierten Linienbündel den Eindruck von höchst gespannter Dynamik: An der einen Wand tanzen halbkreisförmige Überschneidungen, vibrieren feine Gespinste übereinander gelagerter Halbkreise, hier kreuzen sich exakt gezirkelte Kurven, da scheinen klare Kreisbogensegmente reliefartig hervorzutreten.
Man wird unmerklich in Rebecca Michaelis’ in-situ-Arbeiten hineingezogen, will an den flirrenden Bewegungslinien vorbeiziehen, um dann bei der eigenen Bewegung im Raum immer wieder aufs Neue ungeahnte Bildeindrücke auszumachen. Je nach Standpunkt organisieren sich Umgebung und abstrakte Liniengebilde zu einer präzisen, freilich nie erstarrenden Bildtektonik aus räumlichen Versatzstücken und planem, halbrunden Liniengeflimmer. Aus der Ferne verwandeln sich die architektonischen Gegebenheiten noch in bildhafte, musterartige Erscheinungen; in der Nahsicht kehren die repetitiven Farb- und Formelemente ihr Gemachtsein hervor und geben sich als ihren eigenen Entstehungsprozess repräsentierende Oberflächen. Die Symbiose von Dingcharakter und Bildhaftigkeit, das Spiel mit Wiederholung, Ähnlichkeit und Differenz prägen diese gelassenen räumlichen Arrangements.
Wir werden zum Durchqueren ermuntert und müssen doch immer auch ein Auge auf Michaelis’ gesamte Vorkehrungen haben. Denn all diese ausgeschnittenen Halbkreisformen an den Wänden setzten sich in Beziehung zu ihrem Ort und nehmen wie Puzzlesteine auch untereinander Beziehungen auf. Insofern gibt es weder Anfang noch Ende. Man findet sich umspült von einem halluzinierenden Mikroklima geometrischer Ordnung.

Birgit Effinger 2014


Tim Stapel
o.T. (Randstücke)
Mdf, Wandfarbe, Kantenumleimer
460 x 508cm
 Kunstquartier Bethanien - Projektraum, Berlin
2015 
 
Offenkundig haben wir es bei Tim Stapel mit einem Synkretisten zu tun. So nimmt er zwar Linien der minimal und conceptual art auf, aber seine Zeichnungen, Bilder und Skulpturen unterscheiden sich zugleich deutlich vom Kult der 'Reizlosigkeit'. Sie haben den anti-illusionistischen Purismus der 1960er Jahre zugunsten einer überraschenden Aufhebung  perspektivischer Eindeutigkeit hinter sich gelassen. Die bildliche Intensität seiner Raumkörper und die skulpturale Wirkmächtigkeit seiner Oberflächenstrukturen entziehen sich dem obsessiv umkreisten flachen Raum der Moderne wie dem monolithischen Objekt. In der eleganten Gestaltung seiner bildnerischen Arbeiten erzielt Tim Stapel eine unerhörte Haltlosigkeit bei radikaler Reduktion der Form.  

jpk

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Julia Münstermann

Mittwoch, 15. Juli, 20 Uhr 

Drontheimer Straße 36 A, 13353 Berlin

Installationsansicht
Electric Shadow 
Freiraum Galerie Köln
2015

„The reduction of referents to reality, in particular, emphasizes aspects of light, color, texture or an imaginary space. In that way the paintings go beyond the formal aspects into an internal poetic that is derived from the effects and the combination of these aspects and culminates in a highly authentic language.“ (Maarten Bertheux)

Die Arbeiten von Julia Münstermann konzentrieren sich auf Licht, Farbe und Raum. Ursprünglich kommen ihre Anregungen von der Stadt bei Nacht oder dem entfernten Blick auf den urbanen Raum. Die Nacht mit ihrem künstlichen Licht, die die Grenzen zwischen Realität und Vorstellung verschwimmen lässt. Durch den Malprozess und die Reduktion bleiben jedoch nicht mehr viele Anhaltspunkte, eher Erinnerungen. Es scheint vielmehr eine Idee von Nacht mit ihrer verführerischen und ungewissen Seite. Ähnlich wie es Agnes Varda in Paul Virilio's „Die Sehmaschine“ beschreibt: „... dass, die Städte die am meisten einen städtischen Charakter haben, in sich die Möglichkeit  tragen ein Nirgendwo zu sein.... die Traumkulisse des Vergessens.“ 
Die veränderte Wahrnehmung des urbanen Raumes durch die mediale Entwicklung spielt auch eine Rolle in ihrer Malerei. Die Reduktion wird der Bilderflut des Digitalen gegenübergestellt, in der trotz der Fixierung auf das Bildliche das Bild verloren zu gehen scheint.
Von besonderem Interesse ist hier auch das künstliche Licht, das beispielsweise auf Bildschirmen Bilder erscheinen oder auch verschwinden lässt. Durch die durchscheinenden Farbschichten entsteht in den Bildern ebenfalls eine Bewegung des Erscheinens und Verschwindens. Auf einer anderen Ebene geschieht dies auch durch die Reduktion. Das Bild erscheint und vervollständigt sich erst wieder vor dem inneren Auge des Betrachters.
Bei der Bildfindung fließen mediale Aspekte mit ein. So nehmen Farbverläufe und Abstufungen des Lichtes auf die veränderte Wahrnehmung von Licht in Film und Fotografie Bezug. Die horizontalen und vertikalen Linien der Leinwand und die unterschiedlich durchscheinenden Farben wiederum erinnern an das Flimmern eines Bildschirmes. Es scheint, durch das Materielle und Handgemachte der Malerei zu einer Art „Re-Analogisierung” der medialen Welt zu kommen. Es sind analoge malerische Räume, die die veränderte Wahrnehmung der allgegenwärtigen, medialen Abbildung einbeziehen und neu vermessen.

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